Erfolgreichster Ruderverein Österreichs

Der Erste Wiener Ruderclub LIA wurde 1863 gegründet und ist damit der älteste Körpersport treibende Verein Österreichs. ...

VIENNA NIGHTROW

Aktuelles

Samstag, 23. Mai 2020 Von: Hans Küng

23.05.2020 – Der lange Weg zurück

Wieder fit wie ein Turnschuh


 

70+ na und? Wer kennt ihn nicht, Hans-Martin Cziczek unseren LIA Zeugwart, alias der Alte Odlo. Er ist ein Ruder Urgestein, wie Raimund Haberl etwa, oder Norbert Hlobil, Otto Hajek, Franz Nitsche und viele Oldboys Rennruderer mehr bei der LIA. Den Siebziger hat er fast unbemerkt durchschritten, leise, fast sachlich, wie ein Ingenieur, ein Mann der Technik eben. Dafür fast täglich im Boot, beim Training, auch mal bei einem guten Glas Gemischter Satz vom Nussberg. Ein Mann auch des guten, sicheren Stils. Und ein Mann des Willens und Tatkraft. Tun, umsetzten, machen, beharrlich, klug, geduldig, neugierig und immer am Ball, das sind seine Markenzeichen, nicht die lauten und schnell verpuffenden Töne.


 

So wundert es kaum, dass viele nicht von seiner schweren Operation wussten, der er sich unterziehen musste. Ein hartnäckiges, sich langsam anbahnendes Rückenproblem, bedingt durch eine genetische Disposition und einen lange zurückliegenden Unfall und nicht etwa durch seinen geliebten Rudersport hatte die OP unaufschiebbar gemacht. Erste Lähmungserscheinungen traten auf. Die Diagnose: Absolute Spinalkanalstenose Th 9/10 und Th 10/11 mit Kompression Myelopathie, also in allen 4 Wirbelbereichen. Hier war Feuer am Dach. Bei Nichtbehandlung drohte eine mögliche Querschnittlähmung.


 

Am 11. September 2019, also just am ersten Tag der FISA World Rowing Masters in Szeged, HUN, stand Hans-Martin nicht wie üblich im Männer 4- oder 8+ wie an der Startlinie, Masters Kategorie G/H, sondern lag ausgestreckt und voll narkotisiert um 14:00 Uhr am OP Tisch des Evangelischen Krankenhauses in Wien. Doktor Djananpour, ein ausgewiesener Spezialist für minimalinvasive Wirbelsäulenchirurgie leitete die vierstündige Operation und minutiös wurden die Nervenbahnen in den Kanälen der 4 Wirbelsäulenbereichen wieder frei gelegt. Die OP verlief gut, die Ungewissheit jedoch blieb, ob das wirklich wieder wird, ohne sensomotorische Beeinträchtigung. Auch beim Operateur und Spezialisten. Es war die ernüchternde Sprache von anderen Patienten, die mehrere Jahre benötigten um, wen überhaupt wieder so halbwegs auf die Beine zu kommen. Erfahrungsberichte. Nerven sind schnell beleidigt und benötigen lange, sehr lange, um wieder voll umfänglich zu funktionieren.


 

Operateur und Operierter kamen überein, vor Hans-Martins Hintergrund des Jahrzehnte langen, gezielten Trainings, des täglichen Sports, auch im hohen Leistungsbereich, den Verlauf der Rehabilitation zu dokumentieren und etwas genauer zu verfolgen. Mehr hat es nicht gebraucht. Das war Ansporn genug und genau nach dem Geschmack des Alten Odlos.


 

Ein paar Tage Geduld, um die Narben verlässlich abheilen zu lassen und keine Infektionen zu riskieren und schon war Hans-Martin 6-mal die Woche im Fitness- und Kraftraum zu treffen mit eine jeweils rund 90 Minuten dauernden Aufbauprogramm. Alles was an wackeligem, der sensomotorischen Steuerung oder der Rumpfspannung dienendem Gerät verfügbar war, wurde erbarmungslos verwendet und ins Krafttraining eingebaut: Lose Seile, Thera-Bänder, Wackelbretter, Pezzibälle, Schwingstäbe, TRX-Schlaufen. Mit dabei immer beharrliche Hartnäckigkeit, Präzision, Selbstdisziplin, Geduld und gelegentlich seine ebenso sportliche Gattin Elisabeth, die kontrollierte, korrigierte und dokumentierte. Sicher auch mal ein tröstendes Wort, wenn es einen Rückschlag wegzustecken galt. Berühmt auch dafür, nur das Gesündeste auf die aller beste Art auf den Speisetisch zu zaubern.


 

Langsam, für einen wie Odlo, quälend langsam ging es voran. Die Herbsttage und Wochen verstrichen. Aber es ging es bergauf. Ende Dezember dann die ersten 15 Minuten am Concept 2 Ruderergometer, behutsam, langsam und dann langsam steigernd. Dann 20 Minuten, dann 30, dann die erste 30K Challenge Ende Jänner. Noch nicht mit voller Fahrt aber schon mit ordentlich Dampf im Kessel.


 

Aber so wie eine Schwalbe bekanntlich noch keine Frühling macht, macht ein Ergometer noch keinen Ruderer. Und Hans-Martin war ein Ruderer und wollte auch wieder einer werden. Ein ganzer. Also ab in den Einer. Wo lag dieser schnell noch mal? Ganz oben an der Decke in der Bootshalle, nur auf einer wackeligen Steige zu erreichen und über Kopf herunter auf die Schulter zu bekommen. Wehe dem, der da vorschnell einem alten Mann helfen wollte; es musste selber gehen, es musste die volle, die kompromisslose Selbständigkeit, Sicherheit und Freiheit wieder erstritten werden ohne fremde Hilfe. Wie immer beharrlich, mit Bedacht aber genauso energisch und unnachgiebig.


 

Und dann kam er endlich, der legendäre Donnerstag, der 22. Mai 2020, genau 243 Tage nach der Operation: Hans-Martin, der Alte Odlo, nahm die Treppe, seinen Einer, die Libelle, von der Decke über den Kopf auf die rechte Schulter, marschierte über den LIA Vorplatz, die Treppe hinunter zum Floß, legte den schnittigen Skiff ins morgendlich kühle Wasser, Skulls rein, einsteigen, gepflegt eine große Ruder auf der Alten Donau ziehen, runter zum Stürzel, vorbei am Eiskanal, am Gänsehäufl und rauf zur Wagramerbrücke, retour, anlegen, aussteigen, Boot über Kopf, Vorplatz, reinigen, Deckel auf, Schuhe zu und dann wieder die Leiter rauf an die Decke an seinen Platz. Alles alleine, ohne Hilfe, ohne Zögern, ohne Zaudern und dann quittiert mit dem aller, aller schönsten und breitesten Grinser im Gesicht. Der Alte Odlo war zurück! Die Last die von seinen Schultern fiel war ein Rumpeln, das bis ins Stürzel zu hören war. Er war wieder da, stark, sicher, agil, frei und fit wie ein Turnschuh.


 

Wer Hans-Martin näher kennt, und ich habe die Ehre dies zu tun, der weiß zweifelsfrei, was ihm das bedeutet. Er weiß aber auch, dass er am Alten Odlo nicht zweifeln braucht, weil es an dem starken Kerl jenseits der Siebzig einfach nichts zu zweifeln gibt, bedenkt man, dass dieser Kerl auch mal Springreiter war, als Ingenieur die halbe Welt geschäftlich bereist und beraten hat, zum reinen Hobby ein Kraftwerk aus dem vorigen Jahrhundert revitalisiert hat, mit Kaplan-Turbine, selbst berechneter Kapazität und selbst gebauter Regelsteuerung, welches nun einen ganzen Weiler wieder mit Strom versorgt, wenn man die Bilder aus seinem Leben bestaunt, das liebevoll verwaltete Jagdschloss, das selbst gebaute Haus, all die Geschichten und Werke aus seinem Leben, seine jahrzehntelang gepflegten Freundschaften … Da gibt es nicht zu zweifeln: Hans-Martin, der Alte Odlo ist ein Ruderer durch und durch vom feinsten Schlag und wir alle freuen uns, dass er wieder da ist in der LIA, nicht nur hinten, im von ihm ausgestatteten Werks-Container am Reparieren, sondern fesch, schnell und stark im Boot, wie es sich für einen wie ihn gehört. Rocken wir wieder die Alte Donau Odlo!


 

Herzlich, Hans

Fahrwart


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