Erfolgreichster Ruderverein Österreichs

Der Erste Wiener Ruderclub LIA wurde 1863 gegründet und ist damit der älteste Körpersport treibende Verein Österreichs. ...

VIENNA NIGHTROW

Aktuelles

Montag, 20. Dezember 2021 Von: Hakü

19.12.2021 – Winterfahrt Hainburg

Wenn Sturmvögel ziehen


 

Wenn Amundsen 1910 auf der Fram durch Dirfteis zum Südpol segelt, den er dank Skiern und Hunden am 11. Dezember 1911 erreicht und dann auch wohlbehalten – im Gegensatz zu Scott, der auf Pferde gesetzt hatte und nicht Skifahren konnte - wieder zurückkommt und wenn Shackleton ab 1914 auf der Endurance 16 Monate ohne Land unter den Füßen im Packeis durch das Weddellmeer treibt, um dann 800 Seemeilen in der Caird von Elephant Island zur Walfischfangstation auf der Insel South Georgia zu rudern – wohlgemerkt durch die Drake Passage, die wohl gefährlichste Wasserstraße der Welt am Kap Hoorn - um Hilfe für seine Mannschaft zu holen, die dann auch vollständig, bis auf den letzten Mann gerettet wird, dann konnten wir uns schon auf eine vergleichsweise doch recht gemütliche Winterfahrt im Achter Red Admiral auf der Donau von Wien nach Hainburg freuen, trotz der angekündigten Nordwestwind Sturmböen mit bis zu 100km/h. Solide Planung, gute Vorbereitung und Umsicht waren geboten, aber dann sollte einem herrlichen Wintervergnügen nichts mehr im Wege stehen – und so war es dann auch.

 

Der Wind war zwar stürmisch und mit harten Böen – aber er kam verlässlich aus Nordwest. Da dies die kommenden Tage so bleiben sollte, hatten wir nichts zu befürchten, strömte doch der Wind ziemlich exakt mit der Fluss-Strömung, was wiederum für herrlich glattes Wasser sorgte und spitzen Boot-Geschwindigkeiten ermöglichte. Selbst die Bug und Heckwellen von großen kreuzenden Schleppern wurden durch den Wind geradezu glatt gebügelt – also genau das Gegenteil von dem was passiert, wenn der Wind gegen die Wasserströmung trifft. Kein einziges Mal mussten wir wegen Wellen platt legen. Um aber nicht aus Leichtsinn – einem der meist begangenen Fehler – kleine Details zu ignorieren, die sich schnell zu großen Problemen entwickeln konnten, erfolgte die Vorbereitung sehr gewissenhaft: Alle Rettungswesten wurden auf ihre Funktionstauglichkeit hin überprüft und angelegt; mit den Viadonau wurde Kontakt aufgenommen und Schleusen wie Wasserbedingungen besprochen; die Ein- und Auswasserstellen wurden im Vorfeld genau studiert und bereinigt; alternative Anlegeorte dazwischen sichergestellt; eine alternative Route als Plan B miteinbezogen, das Boot mir mehreren Rettungsseilen versehen, Seesäcke wasserdicht verschlossen und Schöpfbecher im Boot festgebunden, die den Namen als solche auch tatsächlich verdienten.

 

Am wohl spektakulärsten gestaltete sich die Einwasserung in den Donaukanal unterhalb der Nussdorferwehr, da die Schleuse in den Kanal im Winter nur Montag bis Freitag besetzt ist. Den fast 20m lange und 120 Kilogramm schweren Red Admiral über eine steile Böschung mit abschließender Steinschüttung sicher in die Strömung zu legen ohne, dass er an den Steine über und unter Wasser Leck schlug und alle 9 Besatzungsmitglieder der Reihe nach sicher ins Boot zu bringen, erforderte eine genaue vorher festgelegte Strategie. Alle mussten an ihrem Platz sein, eine klare Kommandokette wurde festgelegt und eingehalten und jeder musste die zugeteilte Aufgabe unaufgeregt aber absolut verlässlich erfüllen: Provisorischer Rollenstand sichern, Boot vom Steinufer wegdrücken, Boot mit Seil gegen die Strömung sichern, als Erster einsteigen und Bootstand sichern, Ruder einlegen, Reihenfolge beim Einstieg einhalten, Bepacken des Bootes und letztlich das Freigeben des Bootes von den Sicherungen in den Strom – ohne, dass jemand aussteigen und dann nachschwimmen musste. Jeder vorher besprochene Handgriff musste bedingungslos sitzen. Man kann es niemandem verdenken, der gedacht hatte, dies wäre niemals möglich. Aber nach 30 Minuten Geduld, Präzision, Konzentration und Disziplin war das Unmögliche, ohne Zwischenfall geschafft, ich kappte als Rudergeher die Sicherung, zog das letzte Seil ein und ab ginge es durch den winterlichen Donaukanal den ersten Strahlen einer tiefstehenden, goldenen Wintersonne entgegen. Ein paar Möwen zogen mit uns, segelten elegant im Wind, ein paar Komorane tauchten schwarzen Pfeilen gleich neben dem Boot spitz ein und aus dem Wasser und von den hohen Quai-Mauern zwischen dem Otto Wagner Schützenhaus beim ehemaligen Kaiserbad und der Urania Sternwarte erschallten gelegentlich einige laute Bravo! Rufe von winkenden Spaziergängern, die unseren Roten Admiral vorbeifliegen sahen.

 

Der Rest der Winterfahrt ist schnell erzählt: Die auf dem Wasser gleich Diamanten glitzernde Morgensonne sollte uns bis Hainburg nicht mehr verlassen und der kräftige Nordwester schob uns zusammen mit der schnellen Strömung brausend vor sich her, erst im Kanal hinunter die Lände entlang und dann unterhalb des Hafens Freudenau beim Praterspitz hinaus auf die breite Donau. „Wer nicht tanzen kann mit Winden, wer sich knechten muss mit Binden ...“ Vorbei flogen wir am Albernen Hafen mit dem traurigen Friedhof der Namenlosen, vorbei an den dürren Fischerhütten mit den Hebenetzen am Daubelfischerspitz, vorbei an den Mannswörther Auen, wo die Schwechat einmündet, hinaus über die Bundeslandgrenze, die Schönau und die Fischamündung hinter uns lassend, dem Osten zu, immer der Sonne entgegen. Mal legten wir platt um einen Schluck heißen Tee zu genießen, dazu selbst gebackene Kekse, mal wurden mit den kreuzenden Kapitäne auf den Donauschleppern ein Ahoi! Gruß ausgetauscht, mal eine der zahlreichen Buhnen und vorbei rauschenden Bojen, die die Rinne begrenzten inspiziert, die immer neu verschobenen Schotterbänke besprochen, die wilden Auen bewundert, dem Geräusch des Geschiebes im Wasser gelauscht bis wir anlangen in Orth an der Donau, um bei der alten Schiffsmühle im ruhigen Donaunebenarm einen Landgang zu machen. Das Boot fest am feinkörnigen Schlickstrand vertaut und gesichert, die Füße getrocknet, ausgestreckt in der Sonne, die dem Dezembertag trotzte, wohlig und windgeschützt, wurde der Kessel mit neuer Energie gefüllt und den etwas verdutzten aber freundlichen Hafenarbeitern bei ihrem Tagwerk zugeschaut. Zeit der Musen.

 

In Summe addiert: Wir waren flink, sicher und mit viel Freude unterwegs und ebenso flink und sicher legten wir nach 50 Kilometern mit einer eleganten Schleuderwende und Heckdrift letztlich in der östlichsten Stadt Österreichs, dem seit den Kelten besiedelten, geschichtsträchtigen Hainburg am Fuße des letzten Karpaten-Ausläufers noch mitten im frühen Nachmittag wieder an. Ohne Zaudern die Hosen über die Knie hoch und die Füße ins wohltemperierte Wasser, den Roten Admiral die Slipanlage rauf geschultert, abriggern und auf den Hänger, retour nach Westen, nach Wien – tiefe Wintersonne, lange Schatten werfend. Keine Frostbeulen, keine abgefrorenen Zehen, keine durchnässten Klamotten, kein Leck und kein gekentertes Boot, kein Wenn und Aber – einfach Winterrudern vom Feinsten.

 

Ich mag mich am Schluss ganz besonders bei der ganzen Mannschaft bedanken; bei Robert Gessendorfer, Oliver Lehrer, Linda Kirchberger, Karin Hammer, Rainer Seitner, Alex Uitz, Martin Horauer und Fanni Hahn, die mir vertraut haben und ganz besonders dafür, dass jeder einzelne Schritt bis hin zum Schluss, da der sauber geputzte Red Admiral am Abend wieder an seinem angestammten Platz lag, tadellos, schnell, selbstverständlich und ohne Gezeter erfolgt ist. Ein schöner und entspannter Abschluss einer langen, intensiven und erfolgreichen Regatta Saison 2021.

 

Vivat, crescat, floreat – LIA forever!

Hans


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