Erfolgreichster Ruderverein Österreichs

Der Erste Wiener Ruderclub LIA wurde 1863 gegründet und ist damit der älteste Körpersport treibende Verein Österreichs. ...

VIENNA NIGHTROW

Aktuelles

Mittwoch, 17. August 2022 Von: Christoph Seifriedsberger

16.08.2022 - EM München

Aus einem Tagebuch


 

Montag - Vorabend der Abreise zur Europameisterschaft nach München. Alles ist gepackt. Die ÖRV-Einkleidung sollte vor Ort erfolgen. München wird meine erste internationale Regatta sein, seit der Restquote für die Olympiade in Tokio 2021 im Mai vergangenen Jahres. Diese Wettkämpfe trennt ein ereignisreiches Jahr in den USA mit einem Studienabschluss, den ich dank der Unterstützung der Rudergemeinschaft geschafft habe, aber auch einer Schulterverletzung und einer Covid-Infektion. Ebenso markiert 2022 die erste Rennsaison seit 2009 - meine erste Saison für die LIA - die ich ohne Ferdi Querfeld bestreiten werde. Natürlich ist das sehr ungewohnt. Aber mit Bruno Bachmair habe ich wieder einen Lianesen im M2- Boot, der sich mit Mut und Kampfeswillen in die Wettkämpfe stürzt. Insgesamt sind wir in München zu viert von der LIA, zusammen mit Rudi Querfeld im M4- und Alexander ‚Sasha‘ Chernikov als Ersatzmann. Obwohl die Erholungsphase nach der Verletzung gut funktioniert hat und ich mich ausgeruht fühle, merke ich doch, dass ich noch nicht dieselbe Form habe wie vor einem Jahr. Ich befürchte die Regatta kommt etwas früh für mich. Aber es überwiegt die Freude wieder an einem Großwettkampf teilnehmen zu können. Der Vorsatz ist, prozessorientiert zu denken und den Ergebnissen keine zu übergroße Gewichtung zukommen zu lassen. Jetzt ist es erst einmal wichtig, eine erste gute Performance zu zeigen, auf der wir bis zur WM weiter aufbauen können.


 

Dienstag - Reisetag. Die Wiener Athleten trafen sich um acht Uhr im Ruder Leistungszentrum Neue Donau. Die lange Autofahrt nach Müchen ging uns schwerer von der Hand. Endlich angekommen, machten wir uns daran, das Team-Zelt aufzubauen, die Boote aufzuriggern und uns um das Kältebecken zu kümmern. Nach getaner Arbeit stand noch eine Rudersession am Plan. Weil uns die Fahrt zugesetzt hatte und Bruno über heftige Kopfschmerzen klagte, sollten wir recht früh wieder anlegen. Die gemeinsamen Kilometer, die wir am Wasser verbracht hatten, waren aber trotzdem zu unserer Zufriedenheit und stimmten mich zuversichtlich. Unser Cheftrainer, Robert Sens versicherte uns, die Erwartung an uns sei, einfach drei, oder wenn nötig - und wohl eher wahrscheinlich - vier gute Rennen, inklusive Repechage, abzuliefern und uns dabei möglichst aus zu belasten. Ein kurzer Sprung ins aufgebaute Kältebecken brachte dann noch etwas weitere Erleichterung. Auch Rudi hatte im M4- eine gute Figur gemacht und die Jungs schienen zufrieden. Notizen zur Strecke: Heute war Gegenwind. Ab 500 Meter kam der Wind auch von der Steuerbord-Seite, hat aber bei 300 Meter vor dem Ziel nachgelassen, da die Tribünen Windschatten bieten. München, per se, ist eigentlich keine besonders schnelle Strecke und der Gegenwind dürfte weiter für eher langsamere Zeiten sorgen. Wir sind mit den Bedingungen aber ordentlich zurechtgekommen, da wir durch den Wind in Wien schon ähnliches gewohnt sind.

 


Mittwoch - Heute war einmal ausschlafen. Der Wecker klingelte erst um sieben Uhr. Ich war schon kurz vorher wach, aber die neun Stunden Schlaf haben gut getan. Um acht Uhr war Abfahrt und um halb neun ging‘s aufs Wasser. Am Plan standen 12 Kilometer mit 1x 1000 Meter bei Schlagzahl 22 auf Druck und 2x 250 Meter - einmal im Streckenschlag und einmal im Rennangang. Die Männer im M4- und auch Ersatzmann Sasha waren bereits gestern eine härtere Vorbelastung gefahren mit 500 Meter Streckenschlag aber wir mussten im M2- trainingstechnisch etwas zurückstecken. Ich hatte allerdings die Tage zuvor in Wien etwas mehr trainiert, damit ich mich nicht zu früh erholen sollte und die Formkurve nicht vor dem Wettkampf bereits wieder runter zu gehen drohte. Was ich jedoch klar spürte war, dass ich noch Schwierigkeiten hatte, das produzierte Laktat zu vertragen. Das muss ich in den nächsten Wochen vor der WM noch einmal adressieren. Der Rest des Tages war dann frei und ich konnte einige meiner ehemaligen Calbears-Studienkollegen auf der Strecke wiedersehen. Schon etwas besonderes zu erleben, dass solche Ruderer-Freundschaften auch nach dem Studium weiter anhalten. Morgen geht‘s dann in den Vorlauf. Einfach versuchen, ein volles Rennen zu fahren. Wie jede/r Ruderer/in weiß: Sich voll aus zu belasten ist herausfordernd genug, da ist weiterer Stress, mit Zwang auf Platzierung zufahren nicht förderlich. Robert hat uns noch ein Zitat seines ehemaligen Trainers hinterlassen:” Einmal Sch***e denken kostet eine Länge!” Also einfach voll fahren.

 


Donnerstag - Erster Renntag. Auftrag - im Vorlauf voll raus und mit etwas Glück vielleicht doch direkt den Aufstieg in das Semifinale zu schaffen. Aber - obwohl wir mutig raus sind, haben wir das so nicht geschafft. Die Konkurrenz war einfach zu stark und zu effizient in ihrer Technik, als dass wir über die ganze Strecke mithalten konnten. Bis 1400 Meter haben wir noch hart um den Anschluss gekämpft, aber wir fanden letztlich keine richtige Antwort und dann kam von Robert die Anweisung abzustellen und die Kräfte ein zu teilen für das zweite Rennen, die Repechage am Nachmittag. Es bestand klar die Hoffnung den Einzug in das Halbfinale doch noch zu schaffen. Allerdings würde dies kein einfaches Unterfangen werden, da einige der zu schlagenden Boote bereits in der Vergangenheit bei der Weltspitze aufgezeigt hatten. Erneut war unser Start beherzt und aggressiv. Die Idee war erneut, durch die Flucht nach vorne, die gegnerischen Boote bereits früh unter Druck zu setzen und dann zu versuchen, den heraus gefahrenen Vorsprung weiter durchzufahren. Die Moldawier waren jedoch technisch sehr kompakt, wie man an ihrem Bootslauf, vor allem an der Bewegung im Heck erkennen konnte und sie konnten klar an uns vorbei kommen. Dennoch haben wir es geschafft, den Rest des herannahenden Feldes bis ins Ziel hinter uns zu halten. Mit diesem zweiten Platz vor Ungarn, Frankreich, Schweiz und der Türkei ging es für uns damit ab ins Semifinale, wo dann erneut Teile der M2- Weltspitze auf uns treffen sollten.


 

Freitag - Semifinale. Die M2- von Rumänien, Serbien und Litauen sind wohl noch außerhalb unserer Liga, aber mal sehen, wie wir uns gegen Slowenien und Ungarn schlagen können? Der Rennplan war bekannt: Aggressiv und mutig raus und die ersten 1250 Meter voll mitfahren. Und dann würden wir sehen, wo wir stehen. Der Start glückte gut, und nach 250 Meter gingen wir gleich noch eine weitere Attacke damit wir uns auch wirklich etwas absetzen konnten. Nach den ersten Rennminuten wurde aber klar, dass unser technisches Können und Zusammenspiel nach nur vier vorangegangen gemeinsamen Trainingswochen im M2- schlicht noch nicht auf dem Niveau war, um mit der Spitze mitzufahren. Unser Schlag ist zu kraftaufwendig und wir sind in der vorderen Bewegungsumkehr noch zu langsam und zu hart, um den M2- fein in Bewegung zu halten. So stoppten wir das Boot in der Auslage immer wieder etwas ab und konnten infolge auf der Strecke trotz aller Bemühungen das Tempo mit den top Booten einfach nicht ökonomisch genug mitgehen. Nach 1250 Metern setzten wir dann eine letzte verzweifelte Attacke, die auch tatsächlich etwas Früchte trug, weil wir auf das Feld wieder aufschließen konnten. Aber dann war der Ofen endgültig aus. Robert hatte mich beauftragt zu entscheiden, ob wir die Belastung abbrechen würden oder nicht. Wir hätten das Rennen vielleicht tatsächlich noch durch zwingen und vielleicht gar einen Rang rausholen können, aber niemals den für das A-Finale erforderlichen dritten Platz. Da ich spürte, dass auch bei Bruno die Kraft schnell schwand, entschied ich mich gegen den aussichtslosen Versuch und gab das Kommando etwas vom Gas zu gehen. Auch mit einem sechsten Platz qualifizieren wir uns fürs B-Finale. Auf der Abwärmstrecke sahen wir dann noch Rudi mit seinen Kollegen im M4-. Sie kämpfen hart, zeigten Biss, aber auch hier reicht die Leistung leider noch nicht für den Einzug ins A-Finale aus. Dennoch - die Kampfleistung konnte sich sehen lassen.


 

Samstag – B-Finale. Heute mussten wir etwas früher raus. Der Wecker läutete diesmal um 6:15 Uhr um das Frühstück rechtzeitig zu erwischten. Dennoch war ich auf meine achteinhalb Stunden Schlaf gekommen und fühlte mich in der Früh noch ganz gut. Als es aber zum Aufwärmen ging, spürte ich deutlich die Belastung der letzten Tage in den Beinen. Ich war einfach noch nicht ganz im Stande, Rennen zu fahren. Bruno ging es soweit ganz gut. Im Fokus: Das ganze Rennen voll durch zu fahren, egal wo wir sind. Wir müssen lernen, uns bis zum Ende aus zu belasten und dazu sollten wir heute erneut die Chance haben! Ich versuchte auch eine technische Umstellung - wollte den Druck etwas aktiver vorne holen und das Boot kraftbetonter beschleunigen. Am Start hatten wir damit jedoch nur mäßigen Erfolg - uns fehlte der Vortrieb pro Schlag. Aber das hielt Bruno nicht davon ab, den Wettkampf anzunehmen und dennoch voll in den Clinch zu gehen. Wir wollten unbedingt eine gute Leistung abliefern. Irgendwann überholten uns dann jedoch die Slowenen, und im Zielsprint mussten wir diesmal auch noch die Ungarn ziehen lassen. Als kleine Revanche, konnten wir aber diesmal die Moldawier hinter uns halten.

 

Fazit - Mehr als ein elfter Platz war bei der Regatta diesmal im M2- noch nicht drinnen. Wir haben Wettkampfstärke gezeigt und ich glaube, wir können hart kämpfen, wenn es verlangt wird. Das ist für mich eine positive Entwicklung. Solange wir aber das doch recht gravierenden, technischen Manko nicht ausgebessert haben, kämpfen wir mit ‚stumpfen Waffen‘. Alles in allem denke ich aber, dass wir in der sehr kurzen Zeit, in der Bruno und ich gemeinsam im M2- rudern, klare Fortschritte gemacht haben und hoffe, dass wir diese Entwicklung weiter fortsetzen können.

 

Und die Anderen - Auch Rudi kann mit seiner neuen Crew und dem neunten Platz hinter Italien und vor Dänemark auf eine erste Regatta zurückblicken. Das neue und junge Österreichische M4- Team in der Besetzung von Gabriel Stekl, Lorenz Lindorfer, Jakob Stadler, Rudolph Querfeld hatte letztlich nur zwei Wochen, um sich auf diesen ersten gemeinsamen Wettkampf vorzubereiten. Julian Schöberl konnte im leichten Männer Einer sicher aufzeigen und sich für das Finale qualifizieren. Der leichte Frauen Doppelzweier mit Valentina Cavallar und Lara Tiefenthaler konnte im B-Finale lange im Spitzenfeld mitfahren. Erst auf dem dritten 500er mussten die beiden Dänemark und Spanien ziehen lassen, und konnten die Regatta auf dem zehnten Platz beenden. Der Frauen Doppelzweier um Katharina Lobnig und Tabea Minichmayr zeigte sich erstmalig mit der Qualifikation für das Semifinale. Magdalena Lobnig im Frauen Einer fuhr ein starkes Rennen und landete als bestes österreichisches Boot knapp hinter dem Podest auf dem vierten Platz. Alle österreichischen Boote schafften es jedoch, sich an die Grenzen ihres aktuellen Könnens zu pushen. Das ist nicht so lapidar und selbstverständlich, wie es sich liest. Ich denke, dass wir, als junges Team unsere ersten Potenziale gezeigt haben und nun auf die gezeigten Leistungen aufbauen müssen, um künftig weiter vorne mitfahren zu können.


 

Vivat, Crescat, Floreat.

Euer Christoph


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