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03.09.2024 – Boot- und Reisebericht
Ein Lianese in den schwedischen Schären
Nach unseren Reisen durch Skandinavien in den Jahren 2022 und 2023 wurde es an der Zeit den Aktionsradius und Blickwinkel mittels Boots zu erweitern. Nur welches Boot sollte es werden? Selbst ein Wander-Zweier wäre viel zu unhandlich und auch der Transport auf der Fähre viel zu teuer. Und wo sollten unsere zwei Kinder Lorenz und Matthias sowie Skandinavien taugliche Wettergarnituren und Angelzeug Platz finden? Aber wie so oft im Leben fügten sich die Dinge glücklich und ein geeignetes Ruderboot - mein Vater „Friedl“ hat es vor rund 20 Jahren gebaut - wurde von der Kundschaft in desolatem Zustand für wenig Geld an mich „zurückgegeben“. Nach knapp 100 Arbeitsstunden hatte ich das Boot wieder weitgehend in Schuss. Hölzernen Ruder, gebaut vom Bootsbauer Sepp Svoboda, bekam ich netterweise von Gerhard Kalloch zur Verfügung gestellt und offene Dollen aus Bronze geben dem Boot das gewisse Extra.
Das Boot ist somit inklusive Zubehör auch eine nette Erinnerung an die beiden Ruderer und Bootebauer„Sepp“ und „Friedl“, die schon vor 20 Jahren mit genau diesem Bootstyp wilde Abenteuer in Schottland erlebten: Sie durchquerten damals im Zuge einer Raid – hierbei dürfen Boote im Wettbewerb gerudert und/oder gesegelt werden - Schottland von Loch Ness über Loch Oich und Loch Lochy bis sie im Atlantik nicht mehr gegen die Gezeiten ankamen. Zuletzt sei gesagt, dass die beiden „Helden“ trotz kaum vorhandener seglerischer Kenntnisse dafür aber hervorragender Leistungen auf den Ruderetappen sämtliche Seefahrtsnationen einfach „in den Sack steckten“ und die Raid damals gewinnen konnten. Über das etwas erstaunte wie leicht betretene Schweigen seitens der Veranstalter bei der Preisverleihung haben Sepp und Friedl noch lange gelacht.
Unser Boot ist also kein klassisches Renn- oder Wanderruderboot. Es ist nur zirka 5,50 m lang und etwa 1,40 m breit. Rollsitze und Stemmbrett sucht man vergebens. Eine kleine Fußleiste, um die Füße/Zehen abzustemmen, muss genügen. Dafür hat es viel Freibord und dennoch eine schnittige Unterwasserform mit wenig benetzter Fläche. Dazu kommen noch jede Menge Staumöglichkeiten sowie die Möglichkeit im Boot entspannt aufstehen zu können. Die Maximalgeschwindigkeit liegt bei etwa 9 km/h. Und mit nur 40 Kilogramm ist es ein absolutes Leichtgewicht. 2 Ruderer und 2 Kinder finden leicht Platz. Der flache Spiegel lässt sogar die Montage eines kleinen Hilfsmotors zu …. natürlich nur für den Fall der Fälle. Diese Eigenschaften bilden also die ideale Grundlage für Fahrten in windreichen Gebieten mit wechselnden Wetterbedingungen. Im Detail handelt es sich um ein Ruderboot des Typs Whitehall. Der Riss ist bereits vor dem 19ten Jahrhundert bekannt und wurde vorrangig im Hafen von New York als Lastentaxi verwendet. Verschiedene Längen von 14 bis zu 25 ft. und bis zu vier Ruderer am Riemen waren typisch. Meist wurde das Boot in Klinkerbauweise gebaut. Auch Hilfsbesegelungen waren für dieses Boot typisch. Und auch der bekannte Abenteurer und Schriftsteller Jack London (1876-1916) schrieb in einem seiner Werke über diesen Bootstyp.
Unsere Reise beginnt mit Schulschluss und geht von Bisamberg nach Danzig. Polen ist übrigens sowohl kulinarisch als auch kulturell und landschaftlich eine Reise wert. In Danzig gehen wir auf die Fähre um nach 18 Stunden Fahrt in Nynäshamn/Schweden anzulanden. Alle Jahre wieder. Hurra!! Im Hafen versorgen wir uns noch mit herrlichem Räucherfisch, um unser eigentliches Ziel, die Insel ARKÖ - sage und schreibe 15 dauerhafte Bewohnen leben dort - nach 3 Stunden Autofahrt zu erreichen. Die Insel liegt in der Ostsee mitten im Schärengarten Schwedens. Gepäck wird mittels Fähre vom Festland übergesetzt. Der Transport zu unserem Ferienhaus vom Pier weg erfolgt mittels Quad, denn Straßen und Autos sucht man vergeblich.
Am Tag darauf erfolgt trotz Sturm, bei Windstärken von 6-7 Beaufort der Transfer unseres Bootes vom Festland zu der Insel an unseren Steg. Gut, dass die Welle nicht zu hoch war und wir meist unter Landabdeckung gerudert sind! Trotz des starken Gegenwindes kommen wir gut voran. Die kommenden Tage werden windtechnisch gesehen ruhiger. Regengüsse dazwischen sind an der Tagesordnung. Klassisch schwedischer Sommer. Die Temperaturen um die 20°C bilden perfekte Ruderbedingungen. Früh morgens und spät abends - wirklich finster wird es ja nicht im Sommer - nutze ich mit meinen Kindern Lorenz und Matthias das Boot um Fischen zu gehen. Kapitale Hechte und Barsche finden sich auch im brackigen Wasser der Ostsee.
Ausgerüstet mit Seekarten der Region wagen wir uns dann auch an längere Rudertouren durch die Schären bis auf die offene Ostsee. Schnell fühlt man sich sehr klein, wenn die schützenden Schärengärten verlassen werden. Die Inseln ARKÖ und GRÄNSÖ werden umrudert. Die zahllosen Inseln bieten ideale Stellen, um die einmalige Natur zu genießen, die Seele baumeln zu lassen und Grill und Badepausen zu machen wobei das Baden in der Ostsee bei 15 °C eher einer prickelnden Kneippkur gleicht. Die Natur ist absolut sehenswert. Bis hin zum Seeadler kann vieles und einzigartiges beobachtet werden.
Das klassische Bug voran Anlanden wie an Sandstränden üblich, sollte wegen der Granitsteine wohl überlegt sein. Eines ist sicher …der Granit ist stärker als jeder Bug. Ratsamer ist es daher, den Heckanker zu werfen und sich langsam mit dem Bug dem Land zu nähern. Auf den flachen Granitplatten kann man leicht aussteigen. Die Bugleine wird an einem der zahlreichen Bäumen vertäut. Und genau so kann das Boot schwimmend bleiben.
Nach etwa einer Woche auf der idyllischen Insel in dem gemütlichen Ferienhaus müssen wir leider weiter. Wir reisen „querfeldein“ durch Schweden. Das schwedische Jedermannsrecht macht es einfach einmalige Plätze in der Natur zu finden um seine Zelte für die Nacht, oder auch länger, aufzuschlagen. Oft hat man aber die Qual der Wahl, denn die Möglichkeiten sind praktisch unbegrenzt. Im weiteren Reiseverlauf wird auch noch der See Bolmen berudert. Er ist Schwedens zehnt größter See und fast 4-mal so groß wie der Attersee. Seine zahlreichen Inseln und Untiefen machen die Verwendung von Seekarten ratsam. Auf Seezeichen (Untiefen) und Fahrrinnen sollte unbedingt geachtet werden. Trotz der hervorragenden Wasserqualität ist das Wasser trüb und oft tiefrot. Steine im Wasser werden erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Leider hatten wir am Bolmen nur noch 3 Tage Zeit. Aber die Möglichkeiten ausgedehnter Wanderfahrten mit Expeditionscharakter wären fast unbegrenzt. Dies ist ein Grund mehr auch nächsten Sommer wieder der Hitze zu entfliehen und die endlosen Weiten und lange Sommertage Skandinaviens zu nutzen.
Bericht: Georg Friedl
Fotos: Georg Friedl